Der König der Mischer Part 1

Kennt ihr auch alle diese fancy plugins, die Deinen Mix zum Profimix werden lassen? Einfach rein damit und es klingt nach Abbey Road oder ne Rick Rubin Produktion? Glaubt mir- das ist alles grosser Quatsch. Das ist alles nichts als Verheißung eines unerreichbaren Levels und verursacht im Grunde nur Probleme beim Mischen. Hier noch ein Compressor, da noch etwas Saturation, Mid/Side Processing etc. pp. und am Ende klingts wie Schrott. Als Konsequenz daraus werden wieder etliche YouTube Tutorials angeschaut, wieder ein neues fancy plugin gekauft und am Ende des Monats keine Kohle mehr für nen Kasten Bier übrig hat, weil man sich das „Super Producer Pack Reloaded“ besorgen musste, statt es für sinnvolle Sachen wie z.B. Lebensmittel auszugeben.

Kommt euch das irgendwie bekannt vor? Dann hätte ich da noch eine leicht bittere Erkenntnis: Eine „Bedroom“ Produktion wird niemals so klingen wie eine Soundcity, Capitol, East West (und wie sie alle heißen) Studio Produktion. Das liegt zum einen daran, daß die wenigsten dabei über die geeigneten Räumlichkeiten verfügen. Also einen klangneutralen, stillen Raum ohne Hintergrundgeräusche, Bassfallen, unerwünschten Reflexionen…

Wenn ich, so wie jetzt grad, in meinem kleinen Studio sitze (wir haben jetzt Samstag halb sieben morgens) dann ist das erste was ich höre die Anlieferung für unseren Edeka Markt hinterm Haus. Wobei die Fahrer die Hintertüren der LKWs nicht etwa normal einfach nur öffnen -nein- sie reissen diese Türen mit einer gehörigen Portion Verachtung und vielleicht ein wenig Wut über ihren bekackten Job in aller Herrgottsfrühe mit lautem Krach so auf, dass sie erstmal an die Ladewand donnern. Beim Entladen des 32 Tonners muß natürlich auch auf jeden Fall immer der Motor laufen. Ist ja unnötig den auszustellen, weil man den ja in einer halben Stunde eh wieder anmachen müsste. Auch die Stahltüren der Anlieferung lassen sich nicht normal öffnen, sondern müssen aufgerissen werden, damit das Stahlblatt an die Mauer knallt, zurückschwingt, nochmal davor treten bis es die richtige Position eingenommen hat und alle in der Nachbarschaft wissen: Oh die neue Gut und Günstig Erdnussflips sind angekommen.

Ist die erste Lieferung abgewickelt, so kann man sich hier in Remscheid Hasten ziemlich sicher sein, daß so gegen halb acht der erste Laubbläser angeworfen wird und einen unaufhaltsamen Kanon mit den anderen, mit Laubbläsern ausgestatteten Hobbygärtnern aufbaut. Ein unaufhaltsames Crescendo motorgetriebener Luftdüsen um ein paar Blätter von einer Ecke in die andere zu pusten. Gegen halb 10 herrscht dann plötzlich ein wundersamer Moment der Stille. Halbe Stunde Kaffeepause!

Jetzt wäre ein hervorragender Moment dafür z.B. eine akustische Gitarre zu mikrofonieren. Aber nee, is nicht, weil der Paketdienst klingelt oder irgendjemand aus was für Gründen auch immer das Telefon klingeln lässt oder der Amselmann direkt vorm Fenster eine Arie anstimmt oder die Elstern kreischend einen neuen gemeinschaftlichen Raubzug planen. Kurzum: Das hat nix mit einem komfortablem Tonstudio zu tun, denn die verfügen alle über die eine absolut unverzichtbare und allerwichtigste Zutat beim produzieren: Stille.

Also wozu sollte man sich dann eigentlich ein superteures Mikrofon zulegen, wenn es eigentlich nix anderes macht, als diese Kakophonie Collage aus Stahltüren, LKWs und Laubbläsern nur noch präziser mit aufzunehmen?
In den 90ern war ich mal zu Gast bei einem Techno Produzent. Der konterte unliebsame Geräusche einfach damit, daß er seine Abhöre bis zum Anschlag aufdrehte. Über Stunden! Aber auch das hält ja kein normaler Mensch aus und die Nachbarn schon gar nicht. Wobei im Gensatz zu akustisch aufgenommener Musik die rein „in the Box“ produzierte elektronische Musik ja durchaus Vorteile mit sich bringt, was saubere Signale betrifft. Ist ja alles möglich heutzutage. Selbst die Samples eines Schlagzeugs kann man mit etwas Geschick so klingen lassen, als wäre es von einem echten Drummer eingespielt worden. (Nein liebe Drummer, das stimmt natürlich so nicht! Aber es kommt dem sehr nahe) Jedoch um etwas tiefer in die Materie vorzudringen, kompositorisch arrangierend in die Musik eintauchend, braucht man sie wieder, die Stille.

will be continued

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